Mittwoch, 7. Oktober 2009

Nachruf auf einen Freund: Bengt Pflughaupt

7. Oktober 2009
Bis zuletzt unterwegs für die Christoffel-Blindenmission

„Die Sonne erscheint vor Kraft strotzend am Horizont.“ Dieser Satz steht in einem Buch von Bengt Pflughaupt. Geschildert wird ein „langer Lauf ins Licht“, der 1995 für Henry Wanyoike aus Kenia begonnen hat. Nach einem Schlaganfall ist der inzwischen 35-Jährige blind, sitzt in einem Rollstuhl, rappelt sich wieder auf und macht weltweit Schlagzeilen als Marathonläufer und als Botschafter der Christoffel-Blindenmission (CBM).


Die Landsleute von Henry Wanyoike fiebern mit, fahren ihn zum Training, helfen ihm, wo sie können. Ein halbes Jahr lang teilt Bengt Pflughaupt seinen Alltag, wohnt mit ihm in einem Zimmer und begleitet ihn überall hin. Daraus entsteht eine Freundschaft zwischen dem ehemaligen „Bild“-Polizeireporter und dem blinden Läufer, der im Jahre 2000 in Sidney bei den Paralympics Gold geholt hat, obwohl sein Führungsläufer kurz vor dem Ziel strauchelte. Beide schleppen sich ins Ziel.

Als Journalist gestrauchelt ist Bengt Pflughaupt nie, auch nicht, wenn man ihn ins Gefängnis steckte. In Irland jagt er die Terroristin Mc Guire, die in Hannover gebombt hat, er stöbert einen Polizistenmörder auf, er hebt in Hannover mit dem Landeskriminalamt die „Pizza-Connection“ aus, bis nach Spanien reist er zu einem angeblichen „Wunderheiler“, der dort mit dem Krebskind Olivia Zuflucht sucht, auf den Cayman-Inseln ertappt er US-Großbanken bei Drogengeschäften.

Doch jetzt hat Bengt Pflughaupt die Kraft verlassen. Bis zuletzt ist der 47-Jährige für die Christoffel-Blindenmission unterwegs gewesen, vor einer Woche ist er in seinem Haus in Neustadt am Rübenberge nicht wieder aufgewacht.

Bengt Pflughaupt ist auch mein Freund, kennen gelernt habe ich ihn in einem Fachzeitschriftenverlag, ich war Redakteur, er Volontär. Manchmal fuhr er nicht nach Hause, blieb im Verlag, um ein Fußballspiel nicht zu verpassen. Dann wechselte er zur „Neuen Presse“ in Hannover, anschließend zur „Bild-Zeitung“. Später arbeitete er für viele Medien, pendelte zwischen Frankreich, Österreich und Deutschland hin und her. Zuletzt sagte er: „Ich habe keine Lust mehr, mich als Polizeireporter in dunklen Ecken herumzudrücken.“ Werbung für die Christoffel-Blindenmission wurde zu seiner Mission. Fünf Monate lang habe ich ihm dabei geholfen, in Hannover wollten wir ein gemeinsames Redaktionsbüro gründen.

Das hat er nun woanders. Wahrscheinlich sitzt er gerade mit Ernest Hemingway und Egon Erwin Kisch zusammen, erklärt ihnen, wie sich der „klassische Journalismus“ von damals vom heutigen Journalismus unterscheidet, plant aber trotzdem mit ihnen die Gründung einer Zeitung. Die erste Schlagzeile könnte lauten „Wir sind der Himmel!“ Denn auch so ist Bengt Pflughaupt immer gewesen: Man macht etwas zu 100 Prozent - oder gar nicht.

Ob er Zeit haben wird, sich von oben seine eigene Beerdigung anzuschauen, ist nicht sicher - aber, lieber Bengt, nimm dir morgen um 11 Uhr die Zeit, die du jetzt in Hülle und Fülle hast. Der Tod kennt keinen Redaktionsschluss.

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