Sonntag, 30. Januar 2011

Heil Hitler selbst

30. Januar 2011
Meine Großmutter und die Nazis

Viele Jahre lang haben meine Eltern mit meiner Großmutter eine Wohnung oder ein Haus geteilt. Nach Schulschluss führte unser erster Kinder-Weg in die Küche meiner Oma. Die konnte kochen! Zauberte sogar noch aus Resten kulinarische Köstlichkeiten.

Mein Vater dagegen hatte als Kind eine andere Meinung über die Kochkünste seiner Mutter. Er nörgelte sogar in jede Milchsuppe, weil die nie so schmeckte wie "im Schullandheim". Bis meiner Oma die Suppe anbrannte. Mein Vater löffelte begeistert, endlich schmeckte die Suppe wie "im Schullandheim"...

Als Adolf Hitler die Macht an sich riss, war mein Vater acht Jahre alt - und nach Auskunft seiner Mutter fortan dermaßen krank, dass er für die Hitlerjugend gänzlich ungeeignet war. Meine Oma hielt nichts von den Nazis. Das verschwieg sie auch ihrem Abteilungsleiter in der Wilhelmshavener Werft nicht.

Als der nach der Machtergreifung sagte "Marie, ab heute heißt es nicht mehr Guten Morgen, sondern Heil Hitler", antwortete sie: "Den kannst du ganz allein heilen." Der Abteilungsleiter drückte beide Augen zu, schwärzte meine Oma nicht an.

Wenn sie eine Meinung hatte, dann hatte meine Großmutter eine Meinung. Wie an ihrem letzten Schultag. Da sie ihr Zeugnis ungerecht fand, zerriss sie es und warf die Fetzen dem Schuldirektor vor die Füße.

Dann war Hitler wieder weg, hatte die Welt in Schutt und Asche gelegt, Nazis verbuddelten alles, was an ihre braune Vergangenheit erinnerte, im Garten. Doch dann kam die Erinnerung wieder. Als ein Vorgesetzter meinen Vater um einen Gartenzwerg für seinen Garten bat, machte er sich an die heimliche Arbeit, wickelte den Zwerg ein und stellte ihn vor die Bürotür seines Vorgesetzten.

Der kam am nächsten Tag entrüstet in die Werkstatt meines Vaters. "Das kannst du doch nicht machen", sagte er. Was aber hatte mein Vater getan? Er hatte für diesen dermaleinst glühenden Faschisten einen Gartenzwerg hergestellt, der die Hitler-Frisur und den Hitler-Bart hatte, auf der Harke stand "Der Führer bei der Gartenarbeit".

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